Meine Erfahrung im Zen-Kloster Buchenberg
Freitag, 7:30 Uhr
Ich fahre rückwärts. "Hätte ich doch bloß genauer hingesehen und einen Platz in Fahrtrichtung gewählt.", denke ich. "Wow, die Sitze sind verdammt bequem!" Überrascht schaue ich mich um. Gut, ein bisschen wenig Platz habe ich für meine Beine, da mein riesiger Rucksack mindestens den halben Vorraum einnimmt. Dennoch, die Fahrt ist gut und einen angenehmen Sitznachbar habe ich auch. Er ist still, lässt mich in Ruhe - Genau das, was ich gerade brauche. Raum.
"Was mich wohl erwarten wird?" Meine Gedanken wandern umher. Dies ist eine ganz besondere Reise. Ich kann spüren wie meine innere Unruhe langsam verklingt und sich mein Körper zunehmend entspannt.
Vorfreude. Ich atme auf. "Jetzt geht es also los. Ich fahre gerade wirklich da hin!", erfreue ich mich. Wie schön, dass es doch noch geklappt hat, obwohl ich mich erst so kurzfristig entschieden habe zu fahren.
3,5 Stunden später verläuft die Zugfahrt alles andere als geplant. Auf der Fahrt von München nach Buchenberg kommt es durch ein schweres Unwetter zu Unterbrechungen der Zugverbindung. Ich spüre den Zeitdruck in mir, denn ich möchte pünktlich sein. Jedoch bleibt mir nichts anderes übrig als die Situation anzunehmen und zu warten - Zu warten bis der Zugführer neue Möglichkeiten für uns bereit hält.
Freitag, 16 Uhr
Ich bin da. Irgendwie habe ich es geschafft noch pünktlich anzukommen. Zug und Taxi haben auf jeden Fall ihr Bestes gegeben. Nach dem Einchecken geht es direkt zur Begrüßung. Da sitze ich nun, leicht aufgeregt, doch die Freude überwiegt. Zumindest bis zu dem Zeitpunkt, an dem unser Lehrer nach einer kurzen Einweisung zu einer Vorstellungsrunde einlädt. An sich eine schöne Sache – Wäre da nicht genau ein Trigger in mir. Im Allgemeinen kann ich gut vor Gruppen sprechen, doch je größer die Gruppe, desto schwerer fällt es mir. Zudem ist diese Gruppe anders. Die Augen der Anwesenden sind sehr präsent. Nahezu durchbohrend. Von so vielen wachen Gemütern umgeben zu sein, fühlt sich für mich einerseits wunderschön an, andererseits fühle ich mich gläsern. Etwas ungewohnt. Nun gut. Während mich also 41 Augenpaare ansehen und Worte zu meiner Person erwarten, spüre ich einen ordentlichen Adrenalinkick. Ich höre meinen Herzschlag. "Ok, was habe ich gelernt - Innehalten. Atmen. (Sein) Lassen. Fokus." Also atme ich ruhig, nehme mir etwas Zeit und verweile einen Moment - Bis die Aufregung abebbt. Und so stelle ich mich vor. Aufgeregt. Nervös. Und gleichzeitig freudig. Ich spüre das Interesse der Gruppe an meiner Person und fühle mich direkt angenommen. Wundervoll. Anschließend lausche ich den Teilnehmern wie sie von ihrem eigenen Leben erzählen. Jeder hat sein eigenes Päckchen zu tragen und jeder hat seine ganz persönliche Geschichte. "Was für interessante Menschen!", denke ich. Ich könnte noch stundenlang zuhören.
Freitag, 18
Uhr
Mein Bauch meckert ausgiebig.
Zurecht! Nachdem ich auf meinem Zimmer meine "Mitbewohnerin auf Zeit" kennengelernt habe, gibt es nun die erste Mahlzeit. Endlich, denn ich habe heut viel zu unregelmäßig gegessen. Das laute
Grummeln ist nicht mehr zu überhören, ganz zur Freude meiner Sitznachbarin. Sie schmunzelt und sagt, sie fühle mit mir. Erleichterung breitet sich in mir aus, als ich das frisch gekochte Essen
sehe. Ich habe gewählt und so soll veganes Essen für die Dauer des gesamten Seminars meine Geschmacksknospen und meine Seele erfreuen.
"Hmmm, ist das gut!" denke
ich begeistert. Ich hatte ganz vergessen wie lecker Misosuppe ist! Genau das richtige für meinen leeren Magen. Wir essen solange bis der erste der Lehrer die Suppe aufgegessen hat. Dann gilt es
sofort das Besteck abzulegen und innezuhalten. Wir essen anschließend in Stille zu Ende und später werden wir noch eine Stunde lang meditieren. Ok, so langsam bekomme ich eine Idee davon worauf
es hier hinausläuft. Es wird wohl nicht nur ein Seminar in einem Kloster, sondern ein Klosteraufenthalt als Seminar. Zeit in einem Kloster zu verbringen ist mir vertraut, aber das hier ist
anders.
Samstag, 15 Uhr
Eigentlich wollte ich viel
mehr schreiben. Alles, was ich erlebe, notieren, damit ich es später selbst nachlesen und eventuell mit der Welt teilen kann. Doch heute spüre ich ein großes Bedürfnis nach Ruhe, also wird es
wohl anders als geplant. Unser Lehrer hat uns eingeladen fünf Tage in vollkommener Stille zu verbringen. Das bedeutet: Ohne sprechen, Kontakte zu anderen Menschen bewusst sein lassen und so wenig
Medienkonsum wie nur möglich. Fünf Tage nur mit mir selbst und meinen Gedanken? Davor habe ich großen Respekt! Doch gleichzeitig ist da eine tiefe Neugierde und das Gefühl wahrhaft aufatmen zu
können.
Sonntag, 5:20 Uhr
Gleich beginnt die Teezeremonie im Zendo (Meditationssaal). Gefühlt in der Nacht klingelte um 4:30 Uhr mein Wecker. "Ohje, das ist überhaupt nicht meine Zeit!", dachte ich gestern. Jetzt, eine halbe Stunde nach dem Aufstehen, spüre ich, dass es meinem Gemüt wohl bekommt. Ich habe das Glück die Teezeremonie mitzubegleiten und gemeinsam mit 2 anderen Teilnehmern frisch aufgebrühten, grünen Tee in einer kleinen beübten Reihenfolge allen anderen Teilnehmern zu übergeben. Achtsames Geben und Dienen spielen dabei eine wesentliche Rolle. Dieses Ritual ist für mich als Teeliebhaberin etwas Wunderschönes. Selten fühlte sich etwas für mich auf Anhieb so stimmig an.
Montag, 10 Uhr
Stille - Ein Türöffner zu verdrängten Gefühlen. Es ist eine echte Herausforderung so viel Zeit mit sich selbst zu verbringen, ohne die Möglichkeit sich abzulenken und den Fokus zu verlieren. Von der mentalen Herausforderung abgesehen, ist es auch körperlich eine Grenzerfahrung. Nach drei Tagen stundenlangen Sein im Fersen- oder Viertel- Lotus- Sitz schmerzen meine Beine zeitweise unerträglich. Ich frage mich: "Was mache ich hier eigentlich?" Wir meditieren täglich 8- 10 Stunden auf unterschiedliche Art und Weise. Die meiste Zeit im "Zazen", im Sitzen. 6 Stunden sitzen. Meine Beine tun so weh! Eine Stunde im "Samu", achtsames, meditatives Arbeiten im Kloster. Noch nie habe ich mich so sehr auf Arbeit gefreut und es so sehr genossen Heu und Laub zusammenzutragen. Jedes Zeitfenster nutze ich für achtsame Bewegung, Dehnungen, Sport, einen Spaziergang im Wald oder Schlaf. Auf die Frage, wie man die durch das lange Sitzen entstehenden Schmerzen in den Beinen reduzieren könne, erzählte uns unserer Zen-Meister Hinnerk von seinen eigenen Erfahrungen und antwortete auf eine ruhige, gelassene Art und Weise: "Relax.".
Ein Lächeln schleicht über meine Lippen und gleichzeitig denke ich: "Oh nein, gibt es keine andere, bessere Lösung?" Ich spüre meinen inneren Widerstand und frage mich, ob es den anderen Teilnehmer:innen ähnlich geht. Ich schmunzle über mich selbst und beginne die Situation anzunehmen - Mit Schmerzen in den Beinen und ohne zu wissen wie ich noch sitzen soll. "Oh man, das kann ja noch eine lange Zeit werden." denke ich. "Ok, Fokus. Atmen. Wahrnehmen." Ich atme bewusst. Die Atmung hilft mir meinen Fokus wieder auf mein Kraftzentrum, das sogenannte "Hara" zu lenken, anzunehmen was ist und alles da sein zu lassen. Um zu entspannen und freudvoll zu spüren wie auch der Schmerz nach einer Weile endlich wieder vergeht.
Ein heiliger Ort.
Dieser Ort ist ein Ort der Heilung. Wer Unterstützung möchte, bekommt sie. Zum Beispiel durch "Taiwa" - Ein Raum, in dem man über Erlebtes mit einem Lehrer sprechen darf. Dabei darf man wirklich alles ansprechen, was einen bewegt, sich Rat holen, um seine Meditationspraxis zu verbessern oder über sein Leid zu klagen, z.B. weil man nicht mehr weiß wie man noch sitzen soll. Im sogenannten "Dokusan" haben wir zudem die Möglichkeit für 3 Minuten mit dem Zen-Meister persönlich zu sprechen. Für mich war es ein großes Geschenk. Hinnerk Polenski begegnete mir äußerst mitfühlend, klar und beherzt. Was für eine schöne Energie! Die kurzen, aber intensiven Begegnungen mit den Lehrern und dem Meister holten mich genau da ab, wo ich gerade stehe. Ich fühle mich geerdet und komme langsam an. Ich lasse los.
Dienstag, 10 Uhr
Mir ist nicht mehr nach reden geschweigedenn schreiben. Die Stille verändert mich. Ich weiß nicht, ob ich mich je mir selbst so nah gefühlt habe. Wer glaubt, die Stille sei leer, der irrt. Sie ist nicht leer, sie ist voller Antworten. Danke, danke, danke.
Frieden in uns selbst, bedeutet Frieden für die Welt.
Donnerstag, 10 Uhr
Der letzte Tag ist angebrochen. Heute heißt es Rückfahrt in mein eigentliches Leben. Ich habe mich gestern dazu entschlossen die Zen-Praxis fortführen. Die Tiefe dieser Meditationspraxis lässt mich klar werden. Es fühlt sich an, als hätte ich vorher immer noch im Nebel gelebt und so langsam klart die Luft auf. Mein Herz ist weit. Ich fühle mich verbunden. Da ist so viel Liebe. So viel Wärme. Demut. Es klingt etwas kitschig und mit dem Verstand ist es nicht mehr greifbar. Aber jeder von uns, du und ich, ist im Kern nichts anderes als unendliche Liebe, in der es nichts mehr zu wissen, zu brauchen oder gar zu befürchten gibt.
" [...] So grenzenlos wie der Himmel soll mein Mitgefühl für alle Wesen sein. Mögen alle Wesen vollkommen glücklich sein und in Frieden leben.
So grenzenlos wie der Himmel soll mein Mitgefühl für mich selber sein. Möge ich vollkommen glücklich sein und in Frieden leben.[...]"
- Gedankenauszug aus dem Zenkloster -
Freitag, 10 Uhr
Ich bin wieder zu Hause. Das
Seminar wirkt nach. Weniger im Kopf, vielmehr im Körper. Im Herz. Auch wenn ich direkt wieder im Alltag angekommen und bereits ersten Herausforderungen begegnet bin - Da ist ein Raum. Er ist
geöffnet. Ein Raum tiefen Friedens, Sicherheit, Verbundenheit, Liebe. Alles in mir. Alles in dir.
Von Herzen,
Elisa
Mehr Informationen zum Zen- Kloster Buchenberg finden Sie unter https://zen-kloster.de/